Informationsmaterial zum Umbau der Hochspannungsleitung
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Der Autor des Artikels ist durch die Landwirtschaftskammer Nordrhein Westfalen öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Fachgebiet "Bewertungs- und Entschädigungsfragen in landwirtschaftlichen Betrieben"
NWZ, 17.08.2017
Erdkabel durch Edewecht „kleineres Übel“
Nils Coordes
Edewecht Dass eine 380 kV-Stromleitung durch die Gemeinde Edewecht gebaut werden muss, steht fest. Doch wo wird diese konkret entstehen? Wird ein Erdkabel verlegt oder eine Freileitung mit Strommasten errichtet? Die Planungen des Netzbetreibers Tennet wurden im Bauausschuss der Gemeinde vorgestellt.
„Es gibt in Edewecht zwei mögliche Korridore, die geprüft wurden: Der eine verläuft über Wittenberge und Lohhorst im Westen, der andere über Kleefeld, Jeddeloh I und Klein Scharrel im Osten“, erklärt Reiner Knorr, bei der Gemeinde Edewecht für die Bauleitplanung verantwortlich. Die Korridore, innerhalb derer die Stromleitungen verlegt werden sollen, sind zunächst einen Kilometer breit.
Von der Gemeinde und vom Netzbetreiber Tennet wird die Ost-Trasse favorisiert: „Dieser Bereich verläuft gradliniger, wodurch weniger Kabel verlegt werden müsste. Zudem ist der Bereich der möglichen Westtrasse bislang von einer Freileitung noch vollkommen unbelastet, während im Osten bereits eine Stromleitung besteht“, so Knorr . Gemeint ist die 220 kV-Leitung in Friedrichsfehn. Diese werde nicht mehr benötigt, wenn die neue Stromtrasse fertig sei und könne dann abgebaut werden.
Wenn das Amt für regionale Landesentwicklung in Oldenburg Grünes Licht für die Osttrasse gibt, wird ermittelt, wo die Stromleitung in dem einen Kilometer breiten Korridor genau verlaufen kann. Dieser Schritt könne laut Knorr Ende 2018 erfolgen. Die Anwohner können auch danach Stellung nehmen.
Besonders ist, dass nach derzeitigem Stand in Edewecht jedoch keine Freileitung, sondern ein Erdkabel verlegt wird. In den betroffenen Bauerschaften könnte lediglich in Kleefeld eine Freileitung entstehen. Da aber bereits in Engelsmeer (Bad Zwischenahn) ein Kabel verlegt werden müsse, werde es wohl auch durch Kleefeld geführt. „Und weiter bis unter den Küstenkanal werden nach jetziger Planung Erdkabel verlegt“, bestätigt Knorr.
Dieses wird von Anwohnern und Ratsmitgliedern als „kleineres Übel“ angesehen, da das Bild der Landschaft nicht durch Strommasten verändert würde. „In Abständen von 500 Metern würden Schächte installiert, damit die Leitungen gewartet werden können“, erklärt Knorr. Einige Anwohner zeigten sich dennoch besorgt und fragten sich, ob ihre Häuser durch die Bewegung in dem moorigen Boden in Gefahr seien. Immerhin werde in einem 45 Meter breiten Bereich der Boden zunächst ausgebaggert. Konkrete Antworten darauf gibt es noch nicht, da ja noch nicht feststeht, wo das Kabel genau langläuft. „Es wird weiterhin Informationsveranstaltungen geben“, verspricht Knorr.
Verschwenken der geplanten Trasse um Friedrichsfehn nach Westen
Grün: Verlauf der bestehenden Leitung
Engere Umgebung von Klein Scharrel
Violett: äußere Grenzen des möglichen Trassenverlaufs; Grün: alte Leitung
NWZ, 27.06.2017
Hergen Schelling
Ganderkesee Vor dem Bau der Höchstspannungs-Trasse Ganderkesee-St.Hülfe gestalten sich die Entschädigungsgespräche zwischen dem Netzbetreiber Tennet und betroffenen Grundstückseigentümern, vornehmlich Landwirten, schwierig. Während Tennet nur eine einmalige Entschädigung zahlen möchte und auf die Gesetzeslage verweist, pochen die Landvolkverbände auf wiederkehrende Leistungen, eine Art Pacht. Die Landwirtschaft erwartet Ernteeinbußen insbesondere auf Feldern, unter denen die Leitung als Erdkabel verläuft. Die Wirkung von Erdverkabelung auf Böden und Erträge ist nur unzureichend erforscht.
NWZ, 23.06.2017
Familienbetrieb fürchtet das Kabel
Christian Korte
Ein Erdkabel könnte den Betrieb in zwei Teile schneiden. Betreiber Tennet versucht zu beruhigen.
Kayhauserfeld Hinrikus Barth wird deutlich: „Die ruinieren den Betrieb, den wir aufgebaut haben“. „Wir“, das sind Hinrikus (73) und sein Bruder Reinhold Barth (74), Der Betrieb ist die Baumschule, die beide 1968 gemeinsam gegründet haben.
„Die“, das ist Netzbetreiber Tennet, der eine Höchstspannungsleitung von Conneforde nach Cloppenburg bauen will.
In direkter Nähe zu den Bauumschulen Barth sollen die Leitungen von Strommasten unter die Erde geführt werden, und dann einmal diagonal über das Haupt-Betriebsgelände führen. So zumindest ist es auf Luftbildern eingezeichnet, die die Familie am vergangenen Dienstag bei einem Tennet-Infotermin in Gristede gesehen hat. Dabei waren auch die Söhne der beiden Firmengründer Manfred (46) und Julius (54). Alle vier sind überzeugt: Bleibt es bei den Plänen, ist der Betrieb ruiniert.
Für den eigentlichen Verlauf des Erdkabels würden rund ein bis eineinhalb Hektar Fläche der insgesamt 30 Hektar großen Zentralfläche des Betriebes gebraucht, nimmt die Familie an. Auf dieser Fläche könnte später nicht mehr wie bisher Baumschulwirtschaft betrieben werden. Die Ballenschneider, mit denen die Barths und ihre 27 Mitarbeiter größere Bäume aus der Erde holen, schneiden 1,20 bis 1,50 Meter tief. Sie könnten über der Leitung, die 1,60 Meter tief in der Erde liegen soll, nicht mehr eingesetzt werden.
Das bestätigt auch Renke zur Mühlen, Vorsitzender im Bund deutscher Baumschulen Weser-Ems (BdB). Er hat sich bereits vor einiger Zeit mit Tennet-Vertretern getroffen, um über Besonderheiten im Baumschul-Bereich zu sprechen. Das Ergebnis: Getreide oder Mais könnte über einem Erdkabel angebaut werden, aber nichts was tiefer wurzelt. „Der Betrieb der Familie Barth ist aber gerade auf große Solitärpflanzen spezialisiert. Die können nicht einfach auf etwas anderes umstellen“, sagt zur Mühlen.
Viel dramatischer wären andere Folgen. Mindestens zehn der 30 Hektar großen Zentralfläche des Betriebs wären während des Baus komplett abgeschnitten. Ob sie danach noch nutzbar wären, ist zumindest unsicher. „Unsere komplette Drainage und Bewässerung verläuft über die mögliche Trasse“, sagt Julius Barth. „Die ganzen Leitungen würden durch den Bau zerstört“, ergänzt Hinrikus Barth. Junior Julius macht sich zudem Sorgen um das Grundwasser: „Wir haben hier einen sehr hohen Grundwasserstand, der durch eine Lehmschicht blockiert wird. Wenn die beim Bau beschädigt wird, kann das Wasser hochdrücken und unsere komplette Fläche unbrauchbar machen.“
Janina Schultze, Tennet-Bürgerreferentin, versucht auf Nachfrage der NWZ zu beruhigen. Zunächst sei überhaupt nicht klar, ob das zuständige Amt für Landentwicklung den von Tennet bevorzugten Korridor für die Trasse auswählt – es könne auch ein ganz anderer Verlauf der Strecke herauskommen. Die Luftbild-Zeichnungen sei zudem nicht mehr als ein gedachter Verlauf für das Erdkabel, keinesfalls ein fertiger Plan. Tennet habe die besonderen Schwierigkeiten bei Baumschul-Flächen sehr wohl im Blick und werde bei der genauen Planung der Trasse, die frühestens 2018 beginnen soll, eng mit den Flächenbesitzern zusammenarbeiten.
Julius Barth will darauf nicht warten, er hat sich bereits auf die Suche nach alternativen Strecken gemacht, die er Tennet vorschlagen will. Die befürchteten Einschnitte wollen er und seine Familie jedenfalls nicht akzeptieren – und auch Renke zur Mühlen und BdB-Geschäftsführerin Cornelia Lüttmann haben bereits angekündigt, sich für die Interessen der Baumschule stark zu machen.
NWZ, 22.06.2017
Christian Korte
Bad Zwischenahn/Kayhauserfeld Die gute Nachricht zuerst: Die geplante 380-kV-Leitung von den Conneforde nach Cloppenburg, die auch über das Gebiet der Gemeinde Bad Zwischenahn laufen soll, wird voraussichtlich nicht in unmittelbarer Nähe des Naturschutzgebietes großes Engelsmeer unter die Erde geführt.
Am Dienstag stellte das Unternehmen Tennet, das die Leitung plant, seine Vorstellungen im Gristeder Hof in Gristede der Öffentlichkeit und möglichen Anliegern der künftigen Strecke vor. Mit dabei war auch Carsten Meyer, Fachbereichsleiter Bauverwaltung bei der Gemeinde Bad Zwischenahn. Wie er am Mittwoch auf Nachfrage der NWZ erklärte, möchte Tennet bis zur Bahnlinie Oldenburg-Leer weitgehend der bestehenden Stromtrasse folgen. Nach dem bisher vorliegenden Kartenmaterial von Tennet weicht der Korridor, in dem die Trasse verlaufen soll, zwischen der Landestraße 815 (Haarenstrother Straße) und der Bahnline in Richtung Westen von der bestehenden Trasse ab.
Tennet-Vertreter, so Meyer, gehen derzeit davon aus, dass die Leitung dann entweder direkt nördlich oder direkt südlich der Bahnlinie unter die Erde geführt wird.
Unter der Woldlinie hindurch würde die Leitung dann entlang des Birkenwegs in südlicher Richtung in die Gemeinde Edewecht geführt und dort an Friedrichsfehn und Klein Scharrel vorbei unter dem Küstenkanal in die Gemeinde Wardenburg weiter führen.
Wo genau die Leitung von einer Frei- in eine Erdleitung überführt werden könnte, so Meyer, sei auch bei Tennet noch nicht klar. Das hänge unter anderem von der Verfügbarkeit der Flächen ab – und davon, wie man diese erreichen könne. Der Flächenbedarf ist nicht klein. Zwischen 500 und 1000 Quadratmetern müssten für das Bauwerk eingezäunt werden.
Direkt betroffen von den Erdleitungs-Plänen dürfte eine Baumschule an der Feldlinie sein, durch deren Grund die Erdkabel gelegt werden würden – wenn es bei den Plänen von Tennet bleibt. Die Planungsunterlagen liegen ab dem kommenden Montag, 26. Juni, auch bei der Gemeinde Bad Zwischenahn für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zur Einsicht aus. Das Planungsverfahren wird noch Jahre dauern. Wenn die Pläne so wie von Tennet vorgelegt genehmigt werden, rechnet das Unternehmen damit, die Leitung bis zum Jahr 2023 realisieren zu können.
NWZ, 20.06.2017
Marén Bettmann
Zahlreiche Bürger nahmen das Dialog-Angebot des Netzbetreibers wahr. Neun Tennet-Mitarbeiter waren vor Ort.
Wardenburg Aufatmen in der Gemeinde Wardenburg als vor knapp zwei Wochen Netzbetreiber Tennet den Trassenkorridor C als Vorzugskorridor für die geplante 380 kV-Stromleitung Conneforde-Cloppenburg-Merzen benannte. Die gefürchtete Trasse F, die mitten durch den Litteler Fuhrenkamp in Richtung Autobahn führen sollte, ist damit zwar noch nicht vom Tisch, aber ihr werden weniger Chancen eingeräumt.
Der Korridor C (Breite 1000 Meter) orientiert sich dagegen weitestgehend am Verlauf der bestehenden 220 kV-Leitung. Fragen rund um den bevorzugten Korridor beantworteten neun Tennet-Mitarbeiter am Montagnachmittag bei einem Bürger-Informationsmarkt im Wardenburger Hof. Hier fanden Interessierte Kartenmaterial, Info-Tafeln, Modelle und Computeranimationen vor, um sich über Verlauf und Technik zu informieren.
Zahlreiche Bürger und auch Behördenvertreter nahmen diese Form des Dialogs wahr. Einer von ihnen war Bernd Hinrichs, Vorsitzender der Modellfluggruppe Wardenburg. Der Verein will von Westerholt nach Charlottendorf-West umziehen. „Mit unserem neuen Platz wären wir nur betroffen, wenn Trasse F käme“, erklärte Hinrichs. Da bestehe aber noch die Chance, die Leitung 100 Meter weiter nördlich zu setzen.
Zahlreiche schlaflose Nächte bereitete bereits einem Ehepaar aus dem Kreis Cloppenburg der Vorzugskorridor. Seinen Namen möchte es nicht so gerne nennen, da es mehrere Ländereien im Einzugsgebiet des Korridors besitzt und nun besorgt ist um den Wert seines Eigentums. „So wie es aussieht, sind vier bis fünf unserer Grundstücke betroffen.“ Von einmaligen Entschädigungszahlungen halten die Eheleute nichts, schließlich würden die betroffenen Grundstücke erheblich an Wert verlieren. Jährliche Entschädigungszahlungen hielten sie für angemessener.
Eckart Cordes aus Harbern I wohnt seit 40 Jahren etwa 60 Meter von der bestehenden 220-kV-Leitung entfernt. Umso mehr freut es ihn, dass im Vorzugskorridor eine Erdverkabelung im Bereich des nahen Küstenkanal empfohlen ist. „Das würde für mich eine Verbesserung bringen.“ Zwar habe er sich an die Freileitung gewöhnt, aber bei bestimmten Wetterverhältnissen „hört man immer ein komisches Knistern“. Die Öffentlichkeit hat die Möglichkeit, über die betroffenen Kommunen die Planunterlagen einzusehen und Stellungnahmen zum Vorhaben einzureichen. Zwei weitere Info-Märkte veranstaltet Tennet an diesem Dienstag, 20 Juni, 14 bis 19 Uhr im Gristeder Hof to Horn in Wiefelstede, und am Mittwoch, 21. Juni, 14 bis 19 Uhr, im Traditionshaus Taphorn in Cloppenburg.
Höchstspannung elektrisiert Anwohner
Marco Seng
aus der NWZ vom 17.06.2017
Wo genau verläuft der so genannte Korridor C? Die NWZ ist an der bestehenden Leitung entlanggefahren: von Conneforde bis Cappeln.
Gristede/Kayhauserfeld/Beverbruch/Cappeln Rechts vom Bauernhof kommt die Stromleitung ins Blickfeld, überspannt die Kürbisse, hängt träge überm Rosenkohl, lässt die Erdbeeren links liegen, verschwindet hinter den Feldern zwischen hohen Erlen. „Unter einer Hochspannungsleitung wollen viele Kunden keine Erdbeeren pflücken“, erläutert Landwirt Arnd Eyting (52) die Anordnung der Felder.
Gristede, ein Ortsteil der Gemeinde Wiefelstede, mitten im Ammerland. Auf dem Eytjehof herrscht schon am frühen Morgen reger Betrieb. Obst, Gemüse und Pflanzen gehen über den Ladentisch. Es duftet nach Kräutern.
„Wir haben uns an den Anblick gewöhnt“, sagt Arnd Eyting. Also, den Anblick der Leitung. Die steht ja immerhin seit den 1970ern. Als Eyting noch ein kleiner Junge war. Damals habe sich niemand über den Bau beschwert.
Aber, dass man um die Masten herumackern muss, das stört den Landwirt schon. „Ein großes Problem.“ Und bei feuchtem Wetter gebe es manchmal Entladungen.
Mit der alten 220-Kilovolt-Leitung hat man sich in Gristede arrangiert. Die Bebauung sei mit den Jahren sogar näher an die Trasse herangerückt, erzählt Eyting, der auch Vorsitzender des Ortsvereins ist.
Mit der Planung der neuen 380-Kilovolt–Leitung kann das Dorf wohl erst recht leben. Sie soll weiter nördlich verlaufen, in Richtung Wiefelstede, in einer breiten Schneise quer durch dichten Wald, die „Gristeder Büsche“.
Auch in Petersfehn und Friedrichsfehn soll der Abstand zu den Orten größer werden.
Der Netzbetreiber Tennet hat Anfang Juni seine Pläne für die neue Trasse von Conneforde nach Cloppenburg vorgestellt – nach fast zwei Jahren Prüfung. Ausgewählt wurde der Korridor C, der über rund 70 Kilometer weitestgehend auf der Strecke der bestehenden 220-Kilovolt-Leitung verläuft. Die leistungsfähigere 380-Kilovolt-Leitung wird benötigt, um den Windstrom nach Süddeutschland zu transportieren. Steht im Bundesbedarfsplangesetz für den Netzausbau.
Die Reise entlang der Stromtrasse beginnt am Umspannwerk Conneforde, nördlichster Zipfel des Ammerlands. Ein wichtiger Knotenpunkt des deutschen Stromnetzes. Höchst- und Hochspannungsleitungen aus allen Richtungen treffen sich hier, unterschiedliche Spannungsebenen werden verbunden. Das Auge verliert sich schnell in dem Wust aus Leitungen, Transformatoren und Schaltanlagen. Dahinter der Ferienpark Bernsteinsee, ein großer Campingplatz, ein Freibad. Der Kontrast könnte kaum größer sein.
Hinter Conneforde biegt die 220-Kilovolt-Leitung, die später abgebaut werden soll, in Richtung Süden kurz nach Friesland ab, verläuft einige Kilometer entlang der Kreisgrenze. Bis zum großen Bogen bei Gristede soll das auch der Weg der geplanten 380-Kilovolt–Leitung sein. Gar nicht so einfach, einer Stromtrasse zu folgen, die quer über Wiesen, Felder und durch Wälder verläuft, die Zäune, Gräben und Bäche locker überwindet, die sich nicht um Straßen oder Gleise schert.
Zwischen Garnholterfeld und Hellermoor wird der Weg äußerst holprig. Das Auto macht einen Satz. Ein Reh steckt den Kopf neugierig aus einem Getreidefeld. Eine Kurve, nächste Bremsung: Hase auf der Straße. Die Stromleitung läuft links, rechts tauchen ein Windpark und eine Biogasanlage auf. Vor einem Gehöft steht ein Protestschild gegen den Bau der Küstenautobahn. „Keine 3. Autobahn durch unser schönes Ammerland.“ Hier hat man andere Sorgen als 380 Kilovolt.
Das Amt für regionale Entwicklung Weser-Ems in Oldenburg hat in dieser Woche das Raumordnungsverfahren für die neue Stromtrasse eröffnet. Kommunen, Verbände und betroffene Bürger können sich ab sofort zu den Plänen äußern. In etwa einem halben Jahr dürfte feststehen, ob der Korridor C genehmigt wird. „Mit einer Inbetriebnahme rechnen wir 2023“, sagt Janina Schultze von Tennet.
Südlich von Gristede kreuzt die Leitung die A 28, verläuft durch unzählige Baumschulen schnurstracks Richtung Küstenkanal. Also, die bestehende Leitung.
Die künftige Trasse soll in Bad Zwischenahn abtauchen.
Zehn Kilometer Erdkabel werden geprüft.
Besser gesagt im Ortsteil Kayhauserfeld.
Das Engelsmeer ist ein Moorsee in einem 1,7 Hektar großen Landschaftsschutzgebiet, umgeben von Birkenwald und Sandpisten. „Das Engelsmeer ist unsere Perle in Kayhauserfeld“, sagt Michael Cordes (30), Vorsitzender des Ortsbürgervereins, FDP-Ratsmitglied in Bad Zwischenahn. Vor fünf Jahren habe man angefangen, hier zu renaturieren. „Das Engelsmeer ist uns lieb und teuer“, sagt Cordes. „Der Strom muss ja irgendwo lang, aber es gibt idealere Standorte.“
Tennet hat angegeben, dass die Kabel in der Nähe des Engelsmeeres in die Erde geführt werden könnten.
Dieser Übergabepunkt wäre ein weithin sichtbares Bauwerk. Doch wo genau?
Michael Cordes vermutet eine große Wiese am Ortsrand als möglichen Standort. Am nächsten Tag ruft er an, gibt teilweise Entwarnung. Nach neuen Informationen soll die Stromtrasse östlich des Birkenwegs und damit auch des Landschaftsschutzgebiets unter die Erde abtauchen. Aber der Suchkorridor ist ja einen Kilometer breit, die Unsicherheit bleibt.
Am Ende des Birkenwegs beginnt die Gemeinde Edewecht. „Wir favorisieren die Erdverkabelung, insofern ist das eine sehr positive Nachricht“, sagt Bürgermeisterin Petra Lausch (parteilos) zu den Tennet-Plänen. Außer vielleicht für die Anwohner während der Bauphase. Und für einige Landwirte, die um ihre Böden fürchten.
Die alte Leitung überspannt zwischen Jeddeloh 1 und Harbern 1 den Küstenkanal. Die neue Leitung soll darunter verlegt werden. Irgendwo in der Gemeinde Wardenburg, wahrscheinlich in Harbern, dürfte sie wieder ans Tageslicht kommen. Der Landkreis Oldenburg ist erreicht.
Weiter geht die Fahrt Richtung Benthullen: durch Alleen, teilweise über Schotter- und Buckelpisten. Die 220 Kilovolt-Leitung hat Zuwachs bekommen. Eine kleinere 110-Kilovolt-Leitung, die dem Netzbetreiber Amprion gehört, verläuft parallel. Beide halten Abstand zu den Ortschaften.
Etwas weiter östlich, in Littel, stehen noch die großen Banner mit dem roten Stop-Zeichen an der Landstraße. „Keine 380 kV-Stromtrasse F!“ Diese Variante ist vorerst vom Tisch. Doch die alte Stromtrasse verläuft in Sichtweite.
Nächster Stopp: Beverbruch (Gemeinde Garrel). Die beiden Stromleitungen haben sich im Landkreis Cloppenburg den Landstraßen 847 und später 167 angeschlossen, verlaufen durch große Felder, immer in Sichtweite.
„Die müssen von der Siedlung weg, wir leiden darunter.“ Norbert Budde (49) ist sauer. Direkt hinter dem Friedhof des 850-Seelen-Dorfes steht ein großer Strommast, daneben ein kleinerer. Der Abstand zur Neubausiedlung beträgt keine 200 Meter. „Von meinem Haus aus kann man sie hören – bei bestimmten Wetterlagen.“ Budde erzählt von vielen Krebsfällen in der Nähe der Leitung. „Das kann nicht gesund sein.“
Jetzt soll hier auch noch eine 380-Kilovolt-Leitung gebaut werden. Vielleicht etwas weiter weg vom Ort, aber mit 50 bis 70 Meter hohen Masten. Darf es dazu noch ein Umspannwerk sein oder eine Konverterstation, wo die Erdkabel aus der Nordsee ankommen? Wo der von den Offshore-Windparks erzeugte Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt werden soll.
Norbert Budde, Vorsitzender des Bürgervereins, rechnet mit dem Schlimmsten. „Wenn wir einen Konverter bekommen, kriegen wir noch mehr. Wir haben einfach Angst, dass es nicht bei einer Leitung bleibt.“
Budde verweist darauf, dass Beverbruch sowohl Suchraum für eines von zwei geplanten Umspannwerken im Raum Cloppenburg als auch für eine von drei Konverterstationen ist. Die Angaben von Tennet, dass angeblich im benachbarten Nikolausdorf nach dem Standort für das Umspannwerk gesucht werde, seien falsch, sagt der Schornsteinfegermeister und zeigt es auf einer Karte. „Wir werden veräppelt“, schimpft er.
Der Bürgerverein hofft, dass niemand sein Land für einen Konverter verkauft. Anders als beim Bau von Stromleitungen sei dabei keine Enteignung möglich. „Wer verkauft, bleibt hier nicht“, droht Budde. In Beverbruch nimmt die Spannung zu.
Elf Kilometer Land- und Bundesstraße noch, dann endet die 220-Kilovolt-Leitung im Umspannwerk des Wallfahrtsortes Bethen. Am Ortseingang macht ein unübersehbares Schild deutlich, was Bethen nicht auch noch will: eine „Monster-Konverterstation“. Tennet favorisiere aus „rein wirtschaftlichen Gründen“ einen Trassenverlauf in unmittelbarer Nähe von Siedlungen, kritisiert Cloppenburgs Bürgermeister Wolfgang Wiese (CDU).
Letzte Station ist die Gemeinde Cappeln, südlich von Cloppenburg. Im Rathaussaal kann man sehen, welches Thema den parteilosen Bürgermeister Marcus Brinkmann (44) momentan umtreibt. An den Wänden hängen große Karten, farbig eingezeichnet die möglichen Korridore für die 380-Kilovolt-Trasse. Wenn alle Wege nach Rom führen, dann führen alle Leitungen nach Cappeln.
„Meine größte Sorge ist, dass unsere Gemeinde zerschnitten wird“, sagt Marcus Brinkmann.
Dass ein Umspannwerk im Ortsteil Nutteln gebaut wird, gilt als sicher. Im schlimmsten Fall wird für die weiterführende Stromleitung nach Merzen (Kreis Osnabrück) der Korridor gewählt, der quer durchs Gemeindegebiet führt. Tennet will die Pläne dafür im Herbst vorstellen. Und auch der Bau einer Konverterstation in Cappeln ist gut möglich.
Brinkmann hat sich wie andere Politiker aus Cloppenburg die Konverter in Heede (Kreis Emsland) angeschaut. Dort wurden mehr als zehn Meter hohe Hallen gebaut, um die hochkomplexe Technik unterzubringen. Rund 30 Hektar Fläche werden für eine Station benötigt.
Der Cappelner Bürgermeister ist auf Tennet nicht gut zu sprechen, wirft dem Netzbetreiber „gestörte Kommunikation“ und „Salamitaktik“ vor. Über offene Punkte werde nicht geredet, Fragen würden nicht beantwortet. „Das ist kein Thema, das ich mir als Gemeinde gewünscht habe“, seufzt Brinkmann.
Der Bürgermeister hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, will Tennet davon überzeugen, dass unterirdische Gleichstromleitungen nach Süden besser sind. Eine Cappelner Bürgerinitiative hat in einem offenen Brief gefordert, die Gemeinde solle viel Geld für mehr Gutachten und gute Anwälte ausgeben. „Jede Chance, die ich habe, werde ich nutzen“, sagt Marcus Brinkmann. Im Kampf gegen die Stromleitung.
NWZ, 10.06.2017
von Christian Korte, Kerstin Schuhmann und Claus Stölting
Das Unternehmen Tennet hat seine Wunsch-Trasse vorgestellt. Ob sie so tatsächlich gebaut wird, steht erst nach einem Raumordnungsverfahren fest.
Bad Zwischenahn/Ammerland Strom aus dem Norden Deutschlands von den großen Offshore-Anlagen in den Süden bringen – das ist eines der größten Probleme der Energiewende. Neue, leistungsfähigere Leitungen werden gebraucht. Eine davon soll auch durch das Ammerland führen: Der Netzbetreiber Tennet plant eine 380-Kilovolt-Leitung von Conneforde nach Cloppenburg.
Am Donnerstag hat das Unternehmen in Cloppenburg mitgeteilt, welche von drei möglichen Trassen es bevorzugt.
Es ist der Korridor C, der weitgehend auf der Strecke der bereits bestehen 220-Kilovolt-Leitung von Conneforde bis Cloppenburg verläuft. Nur in einigen Abschnitten will Tennet von dieser Route abweichen, wie das Unternehmen erklärt, um mehr Abstand zur Wohnbebauung zu gewinnen. Im Ammerland betreffen diese Änderungen die Orte Petersfehn, Gristede und Friedrichsfehn.
Bau am Engelsmeer?
Was die Petersfehner entlastet, könnte an anderer Stelle, nämlich in Kayhauserfeld, für Ärger sorgen. Tennet will prüfen, ob auf einem zehn Kilometer langen Teilstück die Trasse unterirdisch verlegt werden kann – unter dem Küstenkanal hindurch. Wie das Unternehmen bestätigte, liegt die Stelle an der die Kabel in die Erde geführt werden könnten, ausgerechnet in der Nähe des Engelsmeeres.
Der Moorsee ist von einem 1,7 Hektar großen Naturschutzgebiet umgeben, dieses wiederum von dem 53 Hektar großen Landschaftsschutzgebiet „Großes Engelsmeer mit Umgebung“. Eine genaue Stelle, an der Tennet den Übergabepunkt von Freileitung zu Erdkabel bauen würde, steht noch nicht fest, die Rede ist von einem einen Kilometer breiten Korridor, in dem sich die Trasse bewegen könnte. Fest steht: Der Übergabepunkt ist ein weithin sichtbares Bauwerk.
Über die Erde kommen soll das Kabel erst wieder hinter der Kreisgrenze und dem Küstenkanal. Die bestehende Leitung, die direkt durch Petersfehn führt, würde damit verschwinden.
Bürgermeister Arno Schilling kündigte am Freitag an, die Gemeinde werde die konkreten Pläne, sobald sie zur Verfügung stehen, sehr genau prüfen. Es müsse genau überdacht werden, ob ein Übergabepunkt und die folgende Erdverkabelung wirklich weniger negative Auswirkungen hätten als eine Überlandleitung. Bisher seien die vorliegenden Informationen aber noch zu vage, um sich eine Meinung zu bilden.
Verträgliches Maß
Kreisweit sorgt die von Tennet geplante Trassenführung überwiegend für Erleichterung. „Ich denke, wenn es so kommt, wie Tennet sich das jetzt vorstellt, wird die zusätzliche Belastung für die Menschen im Ammerland insgesamt auf einem verträglichen Maß gehalten“, sagte Landrat Jörg Bensberg am Freitag gegenüber der NWZ. Klar sei allerdings auch: „Wir alle wollten die Energiewende. Jetzt muss der Strom irgendwie in den Süden transportiert werden. Und das wird auch zu Belastungen führen.“
Bensberg denkt dabei nicht nur an das Landschaftsbild. Es müsse genau geprüft werden, was unter den Freileitungen künftig wirtschaftlich möglich sei. Der Landrat hat dabei besonders das Baumschulwesen im Blick. Was darf unter den Leitungen gepflanzt werden, wie hoch dürfen Bäume werden? Diese Fragen müssten geklärt werden, für betroffene Flächenbesitzer müsse es im Zweifelsfall auch Entschädigungen geben.
Und auch dort, wo die Leitung möglicherweise unterirdisch verlegt werde, könnte es zu wirtschaftlichen Einbußen für die Besitzer der betroffenen Flächen kommen, etwa weil sie die Bodenqualität durch den Aushub für die Trasse verschlechtert.
Freude über Erdkabel
Dass die Trasse im Bereich der Gemeinde Edewecht nach der Vorzugsvariante komplett unterirdisch verlaufen soll, wird dort begrüßt. „Wir favorisieren die Erdverkabelung, insofern ist das eine sehr positive Nachricht“, erklärte Bürgermeisterin Petra Lausch in einer ersten Stellungnahme. Allerdings müssten die Anwohner während der Bauphase damit einhergehende Beeinträchtigungen hinnehmen. Grundsätzlich, so die Bürgermeisterin weiter, sei es im Interesse der Allgemeinheit, dass Strom aus erneuerbaren Energien transportiert werde.
Die Natur verliert
Arnd Eyting, Vorsitzender des Ortsvereins Gristede, kann mit der Planung im Raum Gristede leben. Dort wird sich der Abstand zwischen Trasse und Dorf nach Norden hin – Richtung Wiefelstede – gegenüber dem Verlauf der bestehenden 220-kV-Leitung nach Einschätzung Eytings „ausreichend“ vergrößern. Das bedeute aber auch, dass für die neue Leitung eine breite Schneise durch den Wald geschlagen werden muss. Eytings Fazit: „Der Mensch hat gewonnen, die Natur verloren“.
Eyting hatte erwartet, dass sich die Planungen für die neue Leitung letztlich am Verlauf der bestehenden orientieren würden. Wiefelstedes Bürgermeister Jörg Pieper hingegen bedauert, dass dieser Trassenkorridor und nicht eine andere Variante ausgewählt worden ist. Wichtig sei nun, im Rahmen des Raumordnungsverfahrens das Beste für die Menschen in Gristede herauszuholen.
Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Barbara Woltmann hat sich mit der von Tennet gewünschten Trassenführung beschäftigt. Auch sie begrüßt den Umstand, das Tennet sich an der Route der bestehenden Trasse orientieren will – diese bringe die geringste zusätzliche Belastung mit sich. Auch dass die 380-kV-Leitung als Modellversuch für die teilweise Erdverkabelung ausgewählt wurde, sei eine gute Entscheidung, so Woltmann.
Sie gehe davon aus, dass Tennet die weitere Planung in enger Abstimmung mit den Betroffenen Kommunen und den Menschen fortführen werde, die entlang der Trasse leben.